Mir egal, was ihr davon haltet
Ich mag das Ypsilon.
Es ist der Außenseiter unter den Buchstaben.
Ich habe mir die Mühe gemacht und nachgezählt,
denn Kunst kommt bekanntlich von Können –
und bei uns heißt Können ja immer
Leistung, Zahlen, Fakten.
Ich habe 83 Dudeneinträge gezählt,
dann habe ich nachgezählt
und plötzlich waren es nur noch 73.
Ich benötigte dazu eine Minute
und fünfzehn Sekunden.
Dann lieber noch mal nachzählen.
Eine Minute und fünfzehn sind definitiv zuwenig.
Eine Minute und fünfzehn rechtfertigen kein Gedicht.
Ich habe noch fünf Mal nachgezählt.
Es wurden nicht mehr als 73 – ja, gut,
einmal waren es 72 und dann kam ich auch noch
auf 74 –,
doch insgesamt blieben die Zahlen ähnlich.
Dafür habe ich 7 Minuten und 47 Sekunden
an Zeit
verbraucht.
Schon besser. Im Gegensatz
zu den anderen Buchstaben eine geringe Zahl.
Ich habe mich für das Q und das X entschieden
und wieder von vorn begonnen.
Ich hoffe, dass 14 Minuten und 52 Sekunden reichen,
um ein mittelmäßiges Gedicht zu schreiben.
Ich will ein mittelmäßiges Gedicht zustande bringen.
Draußen ist es saukalt,
und ich muss eigentlich mal zur Arbeit.
Kunst kommt von Können.
Alle anderen, die es möglicherweise anders sahen,
wurden, so hört man, gnadenlos überschätzt.
Interessant, wer eigentlich alles überschätzt wird,
wenn man ganz leise nachfragt.
Manche sagen dann Thomas Bernhard, Franz Kafka,
Ingeborg Bachmann
oder gerne auch Charles Bukowski,
Thomas Mann nie,
denn der quälte sich,
hatte keine Freude am Schreiben,
keine Freude an seiner Frau,
er schuftete jeden Tag,
auch wenn er absolut gar nicht wollte.
So, jetzt sind wir bei 17 Minuten und 6 Sekunden
plus eine Überarbeitung à 2 Minuten und 24 Sekunden
plus einmal LAUT LESEN à 57 Sekunden –
macht zusammen:
20 Minuten und 27 Sekunden bei 303 Wörtern
und 1.814 Zeichen mit Leerzeichen.
Ich denke, das passt soweit.